Denken im Zeitalter der Digitalisierung
Wir leben heute mit der Vorstellung, dass KI-generiete Informationen und datenbasiertes Wissen imstande wären, das menschliche Denken zu ersetzen. Wir glauben, dass die KI künftig für alle „Probleme“, die wir haben, sachbezogene „Lösungen“ finden würde, und dass wir unser Denken daher ruhig an Algorithmen delegieren könnten. Demnach benötigen wir kein Denken mehr.
Gleichzeitig verflacht unsere Sprache: Für die Kurztexte und Mails, die wir schreiben, brauchen wir nur wenige Wörter und es fällt uns nicht auf, dass sprachliche Nuancen verschwinden, weil dies für den Informationswert irrelevant ist.
Denken, sprechen und schreiben sind jedoch eng miteinander verbunden. Je oberflächlicher unsere Sprache ist, desto schwieriger wird ein differenziertes Wahrnehmen und Denken, desto eingeschränkter wird unser Bewusstsein.
Das Denken wird nicht nur wegen der ständigen social media-Nutzung immer unpopulärer, sondern auch, weil es eine Praxis ist, die eine eigene Zeitlichkeit besitzt. Gedanken und gute Ideen kommen nicht, wenn wir am Schreibtisch sitzen und auf sie warten, sondern nur dann, wenn sie dazu bereit sind, aus den Tiefen unserer Neuronenmassen in unser Bewusstsein aufzusteigen. „Wir kommen nie zu Gedanken, Gedanken kommen zu uns“, so Heidegger.
Dem Denken, welches mehr ist als sachorientiertes Problemlösen und durch welches Neues entsteht, wird in der digitalisierten Welt mehr und mehr der Raum genommen. Wollen wird das Denken trotzdem praktizieren, müssen wir uns bewusst Denkräume – Räume für das Denken, das Atmen, die Kontemplation – schaffen: Zeiten, in denen wir ungestört und geschäfts-los sind. Orte der Stille, in welchen kein Handy piepst und der Kommunikationsfluss ausgesetzt ist, und welche nichts gemein haben mit unseren Home-Offices, die mit Laptop, IPad und WLAN-Anschluss für Zoom-Meetings ausgestattet sind.